Donnerstag, 18. April 2024

ENERGIE-AMORTISATIONS-HAUS

 
 
VON DER AGENDA 21 ZUM ENERGIE-AMORTISATIONS-HAUS
 
 
Neue Konzepte zur Umsetzung der Nachhaltigkeit im Wohnbau.

Der Begriff Nachhaltigkeit stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft. Er bezeichnet dort die Bewirtschaftungsweise eines Waldes, bei welcher immer nur so viel Holz entnommen wird, wie nachwachsen kann, so dass der Wald nie komplett abgeholzt wird, sondern sich immer wieder in vollem Umfang regenerieren kann.
Allgemein ist Nachhaltigkeit die Nutzung eines Systems so, dass dieses System in seinen wesentlichen Strukturen und Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand sich auf natürliche Weise regenerieren kann.
In der Energiewirtschaft erfüllen nur die regenerativen Energiequellen die Bedingungen für Nachhaltigkeit, da sie selbsttätig einen kontinuierlichen, - im übertragenen Sinne nachwachsenden - Energiestrom liefern, der nach menschlichen Maßstäben unendlich ist. Wegen der Begrenztheit der fossilen Energieträger und der zunehmend negativen Nebenwirkungen ihrer Nutzung wie globale Erwärmung, Umweltverschmutzung, steigende Energiekosten infolge Verknappung und deren sozialen Folgen, ist es notwendig, so schnell wie möglich auf regenerative Energien umzusteigen. Dies wurde bereits mit dem internationalen Vertragswerk der Agenda 21 auf der "Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen" (UNCED) in Rio de Janeiro in 1992 beschlossen, das von fast allen Staaten der Welt unterzeichnet wurde.
Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Nachhaltigkeit
http://de.wikipedia.org/wiki/Agenda_21

Die Anforderungen an ein zukunftsfähiges Wohnhaus im Sinne der Agenda 21 betreffen aber nicht nur den nachhaltigen Energieeinsatz bei der Erstellung und während der Nutzung, sondern auch die Berücksichtigung sozialer Entwicklungen wie die Veränderungen in der Alterspyramide und die Nachhaltigkeit und gesundheitliche Unbedenklichkeit von Baustoffen.

Nachhaltiger Energieeinsatz bedeutet weiterhin nicht nur, dass regenerative Energiequellen zu nutzen sind, sondern dass mit der agendakonformen Dezentralisierung der Energieerzeugung das Wohnhaus sich vom möglichst sparsamen Energieverbraucher zum Energielieferanten entwickeln muß. Im Idealfall sorgt das Wohnhaus dadurch für Nachhaltigkeit, indem es nicht nur die zur Nutzung benötigte Energie selbst erzeugt, sondern so viel Überschuß an die Umgebung liefert, dass in angemessener Zeit die zum Bau benötigte Energie wieder zurückgegeben wird. Man spricht dann von einem Energie-Amortisations-Haus.

Die Berücksichtigung sozialer Entwicklungen umfassen veränderte Gewohnheiten im Kommunikationsverhalten mit mobilen Telefon- und Internetverbindungen sowie durch die veränderte Altersstruktur der Gesellschaft stark zunehmende Notwendigkeit des betreuten Wohnens. Viele pflegebedürftige Menschen werden in Zukunft in Ihrer bisherigen Wohnumgebung verbleiben, da die Kapazität an Heimplätzen nicht zur Verfügung stehen wird. Das Wohnhaus entwickelt sich zum aktiven Kommunikationspartner mit eigener "Intelligenz", was sich schon heute auf den Forschungsgebieten von "assisted living" und "ambient intelligence" andeutet.

Der thematisch älteste Bereich in der Baubranche, der die Nachhaltigkeit betrifft, ist die Gewinnung der Baustoffe und Ihre Recyclebarkeit oder biologisch unbedenkliche Entsorgbarkeit. Hier sind in erster Linie die nachwachsenden Baustoffe wie Holz und leicht wiederverwertbaren Stoffe wie Lehm zu nennen, die gleichzeitig durch ihre guten baubiologischen Eigenschaften den gesundheitlichen Anforderungen der Agenda 21 an das Bauen entgegenkommen.

Neben den klassischen architektonischen Qualitätsdimensionen wie Gestaltung, Statik und Einbettung in die räumliche Umgebung, gewinnen funktionale Qualitätsdimensionen wie energietechnischer Standard, informationstechnischer Standard und baubiologischer Standard zunehmend an Bedeutung. Kulturhistorisch waren die funktionalen Qualitätsdimensionen in ihren Frühformen (effiziente Schutzhülle) im Wohnbau sogar dominierend. Es gibt zwar enge Wechselwirkungen zwischen den genannten klassischen architektonischen und den funktionalen Qualitäten, jedoch sind die Agendaforderungen in erster Linie durch letztere erfüllbar.

Beim energietechnischen Standard wurde bisher nur die Minimierung des Heizenergieverbrauchs durch gesetzliche Vorschriften (EnEV) zur Dämmung und Heizungsauslegung in den Vordergrund gestellt. Dies ist von den oben beschriebenen Forderungen nach Energiegewinnung und Energieamortisation noch weit entfernt.

In der Nutzung der Informationstechnologien ist im Wohnbau noch weitestgehend die getrennte klassische Elektroinstallation neben der Nutzung von Telekommunikations-, Computer- und Unterhaltungselektronik üblich.

Seit 1993 beschäftigte sich an der TU Kaiserslautern ein interdisziplinärer Arbeitskreis Ökologisches Bauen (AKÖB) im damaligen Zentrum für Mikroelektronik mit den Fragen der funktionalen Qualität in enger Zusammenarbeit mit dem 1996 im Forschungsschwerpunkt regionale Unternehmensnetzwerke (RUN) der AG Prof. Weber gegründeten Arbeitskreis Gebäudesystemtechnik. Mitglieder beider Arbeitskreise engagierten sich zusätzlich am Agenda-21-Prozeß der Stadt Kaiserslautern. Die Aktivitäten mündeten im Sinne des Technologietransfers nach 1997 einerseits in verschiedenen individuell geplanten Architektenhäusern, wo das sogenannte PEKOHAUS-Konzept entwickelt und stufenweise erprobt wurde und andererseits in der Gründung des Innovationsnetzwerks Gebäudeautomation (INGA) e.V. .
Der AKÖB wurde mit mir als Sprecher ursprünglich von mehreren Professoren und Mitarbeitern quer durch die Fachbereiche Architektur, Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Informatik und Biologie als loser Zusammenschluss für die Durchführung mehrerer Projekte mit unterschiedlicher Beteiligung gegründet. Die frühere Zusammensetzung existiert inzwischen nicht mehr, da fast alle ehemaligen Mitglieder entweder emeritiert sind, an anderen Hochschulen oder Instituten tätig sind oder in die Wirtschaft abgewandert sind. Trotzdem blieb die Zusammenarbeit teilweise bestehen. Es existiert seit der letzten Umstellung der Internetseite der TU Kaiserslautern auch keine Internetseite des AKÖB mehr. Über die Projekte wird auf meiner Internetseite jedoch weiter berichtet. Die letzten Projekte betreffen das hier beschriebene Thema Energie-Amortisations-Haus und das Thema Infrarotheizung.

Im PEKOHAUS-Konzept sind einige Elemente kombiniert, die in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten im ökologischen Wohnbau und in der Gebäudeautomation untersucht wurden und zu denen auch in verschiedenen Arbeitsgruppen der Technischen Universität Kaiserslautern Forschungsprojekte durchgeführt wurden. Zu nennen sind dabei die Stichworte Haus-im-Haus-Prinzip, Solararchitektur, Vorwärmen der Zuluft durch Erdregister, kontrollierte Lüftung, Abluft-Wärme-Nutzung, Wärmepumpentechnik, Gebäudesystemtechnik und Solartechnik. Ziel des Konzepts ist es, in allen drei funktionalen Qualitätsdimensionen zugleich ein Maximum zu erreichen. Das bisherige Ergebnis wird qualitativ in einem Würfel mit den Koordinaten Energie, Informationstechnik und Baubiologie/Recycling dargestellt, wo das PEKOHAUS-Konzept mit typischen am Markt realisierten Konzepten in Beziehung gesetzt wird.



Forschungsprojekt zum Energie-Amortisations-Haus.

In 2006 wurde ein Wohnhaus nach dem aktuellen Stand des Konzepts in der Nähe von Kaiserslautern realisiert, das seitdem in einem Forschungsprojekt zum Thema Energie-Amortisations-Haus meßtechnisch untersucht und weiterentwickelt wird.

Um den Kriterien der Nachhaltigkeit zu genügen,
- besteht das Haus fast durchgängig aus Baustoffen auf Basis von Holz als nachwachsender Rohstoff und Glas sowie Ziegel als leicht recyclebare oder entsorgbare Materialien,
- wurden standardmäßig moderne Gebäudesystemtechnik mit integrierten Informationstechnologien benutzt und
- ist die solare Energiegewinnung so ausgelegt, dass das Haus sich - wie oben gefordert - nach etwa 25 Jahren vollständig energetisch amortisiert und gleichzeitig für die Bewohner ein sogenanntes Null-Energiekosten-Haus darstellt.

Das Forschungsprojekt zum Energie-Amortisations-Haus mit der exemplarischen Realisierung des PEKOHAUS-Konzepts wurden auf der 7. Internationalen Tagung "Sun and Sense" im Bundesbauministerium in Berlin 2008 vorgestellt. Das Präsentationsposter kann hier heruntergeladen werden:
 


Die ersten Etappen der Messungen im Forschungsprojekt (1.1.2007 bis 31.12.2010 und 1.1.2011 bis 31.12.2014) wurden inzwischen abgeschlossen. Die Ergebnisse wurden auf dem 3. Internationalen Workshop Infrarotheizung vorgestellt.
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